Ohne Kohlenhydrate keine Hochleistung – warum eigentlich?

Du weißt es. Ich weiß es. Alle wissen es. Kohlenhydrate sind der Treibstoff für hohe Intensitäten. Und trotzdem gibt es immer wieder diese Diskussionen darüber, ob man wirklich Carbs braucht, wie viele davon und dass man mit einem guten Fettstoffwechsel doch genauso leistungsstark sein kann. Am liebsten voll Ketogen, ist klar.

Keine Carbs in der Flasche, keine Gels, keine Gummies und kein Carbloading. Klingt verlockend. Ist aber Bullshit, wenn du schneller als ein Wanderer im Grundlagenausdauerbereich sein willst.

Denn hier ist die Realität: Ohne Kohlenhydrate kommst du nicht auf Touren. Dein Körper ist kein Dieselmotor, sondern ein Hochleistungs-Benziner – und Benzin ist in diesem Fall Glukose. Warum das so ist, schauen wir uns jetzt an.

Zurück auf die Schulbank: ATP – die Währung deiner Leistung

Jede Bewegung, die du machst – von einem simplen Fingerzucken bis zum finalen Sprint ins Ziel – wird mit ATP (Adenosintriphosphat) bezahlt. ATP ist quasi die Universalwährung für Muskelkontraktionen.

Und woher kommt ATP?

  1. Fettverbrennung → super effizient, aber langsam wie ein Beamter kurz vor der Rente.

  2. Kohlenhydratverbrennung → weniger effizient, aber schnell wie ein Espresso auf leeren Magen.

Solange du mit niedriger Intensität unterwegs bist (z.B. lockere GA1-Einheit oder Ultra-Distanzen im Wohlfühltempo), kann Fettverbrennung einiges übernehmen. Es macht sogar Sinn, diese gezielt zu trainieren, dazu später mehr. Aber sobald du in die roten Zahlen gehst – z. B. im Wettkampftempo oder bei Intervallen –, fährst du mit angezogener Handbremse [1].

Der Grund:

  • Die Oxidation von Fett braucht mehr Sauerstoff als die von Glukose.

  • Sobald die Sauerstoffverfügbarkeit limitiert ist (also bei hoher Intensität), bevorzugt dein Körper Kohlenhydrate [2].

  • Außerdem kann Fett nicht schnell genug ATP bereitstellen, wie es für Muskelkontraktionen bei ordentlichen Intensitäten notwendig wäre [3].

Also ja, dein Körper kann theoretisch auch mit Fett arbeiten, tut das auch in den allermeisten Fällen in veränderlichen Anteilen an deinem internen Energie-Mix.
Aber du willst ja nicht nur „können“. Du willst performen.

Glykogenspeicher: Dein begrenztes Energiekonto

Okay, Kohlenhydrate sind also der heiße Scheiß. Aber wie lange reicht dein Vorrat?

Die Antwort: Nicht besonders lange.

Dein Körper speichert Glukose als Glykogen auf zwei unterschiedliche Weisen bzw. an unterschiedlichen Orten: In den Muskeln selbst und in der Leber.

  • Muskelglykogen: ~400 g (reicht für ~60-90 Minuten hohe Intensität).

  • Leberglykogen: ~100 g (wichtig für Blutzuckerregulation).

Macht insgesamt maximal 500 g Glykogen, was 2000 kcal entspricht [4].

Klingt erstmal viel, aber lass uns das mal in Perspektive setzen:

  • Auf dem Rad verbrauchst du im Wettkampftempo ~900 kcal pro Stunde.

  • Während eines Marathons auf 3h-Pace? Ähnlich.

  • Im Triathlon? Noch mehr.

Das bedeutet: Nach gut 90 Minuten sind die Speicher leer, wenn du nichts zuführst. Ok, nicht vollständig leer, das sähe anders aus, aber leer genug, dass du die typische Wall hittest. 

Und dann?

  • Plan A: Exogene Kohlenhydratzufuhr → weiter ballern.

  • Plan B: Körper fängt an, massiv Proteine zu verstoffwechseln → Muskelabbau.

  • Plan C: Dein Tempo fällt auf Rentner-mit-Einkaufswagen-Niveau.

Ich glaube, die Wahl ist klar.

Aber was ist mit Fettverbrennung?

„Aber Fett ist doch unendlich verfügbar!“ – Ja, theoretisch. Dein Körper hat Zehntausende Kalorien an Fettreserven. Das Problem? Er kann sie nicht schnell genug nutzen.

Hier ein Vergleich:

  • Glykogen: Schnell abrufbar, perfekt für hohe Intensitäten.

  • Fett: Lohnt sich nur, wenn du Zeit hast – also bei niedriger Intensität.

Studien zeigen klar: Sobald die Belastung über 70 % der VO₂max steigt, dominieren Kohlenhydrate im Energy-Mix. Stichwort dominieren! Auch oberhalb dieser Grenze nutzt du noch Fett, denn dein Körper hat keinen Schalter und denkt auch nicht in 0 und 1. Dennoch, das Verhältnis wird eben suboptimal.

Oder anders gesagt:
Wenn du in GA1 fährst, kannst du Fettstoffwechsel feiern.
Wenn du angreifst, brauchst du Carbs. Punkt.

Kohlenhydrate – mehr als nur Energie

Falls du denkst, Kohlenhydrate wären einfach nur Sprit für deine Beine – weit gefehlt. Sie haben noch einige Nebenjobs, die für deine Performance enorm wichtig sind:

  1. Schutz vor zentraler Ermüdung

    • Unter normalen Bedingungen (Energieverfügbarkeit) bevorzugt dein Gehirn Glukose als Hauptenergiequelle.

    • Wenig Carbs = schneller mentale Erschöpfung = schlechtere Performance.

  2. Muskelproteinsparing

    • Zu wenig Carbs? Dein Körper holt sich Energie aus Aminosäuren - bei andauernder Belastung mit leeren Speichern also aus deinen Muskeln.

    • Wer Muskeln behalten will, sollte auf Carbs setzen.

  3. Regulation von Stresshormonen

    • Carbs reduzieren Cortisol-Level nach intensiven Einheiten.

    • Weniger Cortisol = bessere Regeneration = höhere Trainingsqualität.

Fazit: Kohlenhydrate sind alternativlos

Die Theorie, dass man mit weniger Kohlenhydraten „metabolisch effizienter“ wird, ist nett – aber nicht relevant für Performance-orientierte Athleten.

Wenn du schneller sein willst, brauchst du Carbs.
Wenn du dich schnell erholen willst, brauchst du Carbs.
Wenn du nach 2 Stunden nicht explodieren willst, brauchst du Carbs.

Klingt drastisch? Ist es auch.

Carbs sind nicht nur ein nettes Extra – sie sind der limitierende Faktor in deiner Performance. Und wer das ignoriert, sabotiert sich selbst.

Also, nächste Trainingssession? Nicht ohne Carbs.

 

Quellen:

[1] Cermak et al. (2013): The use of carbohydrates during exercise as an ergogenic aid. Sports Medicine, 43(11), 1139-1155.
[2] Jeukendrup & Jentjens (2000): Oxidation of carbohydrate feedings during prolonged exercise. Sports Medicine, 29(6), 407-424.
[3] Horowitz et al. (1997): Lipolytic suppression following carbohydrate ingestion limits fat oxidation during exercise. Am J Physiol-Endocrinol Metab, E768-E775.
[4] Gollnick et al. (1974): Selective glycogen depletion pattern in human muscle fibres after exercise of varying intensity. J Physiol, 241(1), 45-57.

Link zum Teilen

Verwenden Sie diesen Link, um den Artikel mit einem Freund zu teilen.